ESTHER STRAUSS – einen Namen tragen

Am 27. Jänner 2019 postete der Lyriker Timo Brandt einen Text von Rajko Djurić. Djurić war Schriftsteller, Philosoph, Wissenschaftler und Roma-Aktivist. Sein Gedicht trägt den Titel geboren in Auschwitz, gestorben in Auschwitz. Darin listet Djurić die Namen von elf Kindern auf, die am selben Tag, an dem sie geboren wurden, ermordet worden sind: Else Rebstock, Herbert Weiss, Joseph Straus, Anton Gross, Helena Kosak, Julius Horvath, Friedrich Krause, Theresa Schubert, Paula Zelinek, Lore Nachel und Marie Blum.

Dieses Gedicht lässt die Performance-Künstlerin Esther Strauß nicht mehr los. Wie erinnert man an Kinder, denen ihr ganzes Leben genommen worden ist? Die vielleicht keine andere Spur in dieser Welt hinterlassen konnten, außer ihren Namen? Strauß beginnt zu recherchieren. Laut einem Eintrag im Hauptbuch des Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz Birkenau wurde Marie Blum am 5. September 1943 in Sektor BIIe geboren – jenem Lagerabschnitt, in dem Rom*nja und Sinti*zze interniert waren. Dort wurde sie am dritten Tag ihres Lebens ermordet.

Um ein performatives Denkmal für Marie Blum zu entwickeln, legt Esther Strauß ihren eigenen Namen in einer rechtskräftigen Namensänderung ab, um ein Jahr lang den Namen Marie Blum zu tragen. „Seither versuche ich zu verstehen, welche Verantwortung mir aus der Auseinandersetzung mit ihrer Geschichte erwächst. Wichtig erschien mir dabei, Marie Blums Namen zu erlauben, den meinen in Schwierigkeiten zu bringen.“, so die Künstlerin.

Auch nach der Rückgabe von Marie Blums Namen am 27. Jänner 2021 wächst das Denkmal für sie weiter; in den letzten sechs Jahren entwickelt Strauß performative Texte, Fotografien und Installationen, die sich an zwei Polen sammeln. Zum einen berührt das performative Denkmal für Marie Blum die Tatsache, dass es in Österreich nach wie vor keinen zentralen Erinnerungsort gibt, der den geschätzt 250.000 – 500.000 Sinti*zze und Roma*nja gewidmet ist, die von den Nationalsozialist*innen in Europa ermordet worden sind. Auch im Salzburger Lager Maxglan wurden diese Menschen ausgebeutet, deportiert und umgebracht.

Zum anderen beginnt Esther Strauß im Rahmen des performativen Denkmals für Marie Blum die nationalsozialistische Geschichte ihrer Familie, in der sich Täter*innen, Unterstützer*innen, Profiteur*innen und Zusehende finden, zu recherchieren und in ihren Arbeiten kritisch zu diskutieren. Dazu Nina Tabassomi, Direktorin der Kunsthalle Tirol TAXISPALAIS: „Wie können wir mit dem unrechtmäßigen Privileg umgehen, dass viele von uns mit historisch belasteten Namen unbeschwert durchs Leben gehen, während die Namen unschuldig Ermordeter gleichzeitig erloschen sind? Die österreichische Erinnerungskultur wird in den Werken von Esther Strauß mit der Frage konfrontiert, wem sie dient und welche Rolle die Auseinandersetzung und Nicht-Auseinandersetzung mit Täter_innenschaft darin spielt.“

 

Eröffnung: Samstag, 22. Februar 2025 um 11:00 Uhr
Eröffnung mit Katalogpräsentation und Gespräch

 

Galerieöffnungszeiten:
Mi bis Fr: 16:00 bis 19:00 Uhr // Sa 10:00 bis 13:00 Uhr // und nach Vereinbarung
So bis Di sowie an Feiertagen geschlossen

Dauer der Ausstellung: 22.Februar bis 29. März 2025

 

Begleitveranstaltung (Eintritt frei):

Do, 27. März 2025 um 18:30 Uhr, Stadtbücherei Hallein: Vortrag NS-Verfolgung der Roma, Romnja, Sinti und Sintizze im Bundesland Salzburg von Drin Erika Thurner, Universität Innsbruck, und anschließendes Gespräch

 

Bildnachweis: Esther Strauß, einen Namen tragen, 2024

kunstraum pro arte · Schöndorferplatz 5 · A-5400 Hallein