kuratiert von Korinna Lindinger
Von 5. Juli bis 24. August zeigt der kunstraum pro arte Arbeiten der feministischen Pionierin Margot Pilz aus den Jahren 1978 bis 2018
Die Kunst von Margot Pilz konfrontiert. Sie lotet die Konstruktion der (eigenen) Identität aus, entblößt emotionale Konfliktlinien und bricht mit gesellschaftlichen Rahmen – manchmal in tragischer, dann wieder in ermutigender Weise. Margot Pilz ist eine Pionierin feministischer Fotografie, der Performancekunst und der Medienkunst in Österreich. Aufgewachsen in den Niederlanden und Indonesien, absolvierte sie ihre Ausbildung zur Fotografin in Wien. Ihre künstlerischen Arbeiten finden seit über 40 Jahren national und international große Beachtung. Die feministischen, ökologischen und gesellschaftskritischen Themen sind heute aktueller denn je. Es ist eine besondere Freude und Ehre im 40. Jubiläumsjahr des Tennengauer Kunstkreises Auszüge des Oeuvres zeigen zu können.
Die Ausstellung „Margot Pilz – Spirits of Contradiction“ wird am 4. Juli 2019 um 19:30 Uhr eröffnet. Sie ist von 5. Juli bis 24. August im kunstraum pro arte zu sehen. Am 17. August um 11 Uhr bietet ein Artist Talk Gelegenheit mit Margot Pilz selbst ins Gespräch zu kommen. Am 23. August ist ergänzend zur Ausstellung der Film Sie ist der andere Blick von Christiana Perschon im Rahmen einer Sondervorstellung in der Stadtbücherei zu sehen. Im Frühjahr 2019 wurde dieser mit dem Preis der Diagonale für die Beste Kamera ausgezeichnet. Er portraitiert fünf Künstlerinnen der feministischen Avantgarde in Österreich in ihrem künstlerischen Schaffen, unter ihnen Margot Pilz. Die Filmemacherin Christiana Perschon wird anwesend sein und über ihren zeitgenössischen Blick auf richtungsweisende feministische Kunstpositionen sprechen.
Richtungsweisend war und ist für Margot Pilz in ihrer künstlerischen Arbeit oft das eigene Erleben. Die Arbeit Sekundenskulpturen (1978) zeigt die Künstlerin in hockender, nachdenklicher und in sich gekehrter Pose. Ein wichtiges Bildelement ist eine Leinenjacke. Diese Jacke trug Margot Pilz als sie auf dem Weg zu einem Frauenfest mit patriarchaler Gewalt konfrontiert wurde. Einige der Frauen standen vorbeigehenden Männern im Weg, es folgten abwertende Kommentare. Margot Pilz traute sich eine Widerrede, wurde hierfür angezeigt und gewaltsam abgeführt. Das Erlebnis hat Spuren hinterlassen – auf dem Körper der Künstlerin, auf ihrer Jacke und in ihrem Bewusstsein für die Alltäglichkeit von Ungerechtigkeit. Erfahrungen wie diese politisierten die Künstlerin.
Sie ist aktives Mitglied der 1977 gegründeten „internationalen Aktionsgemeinschaft bildender Künstlerinnen – INTAKT“. Die Gruppe formierte sich im Widerstand zur herrschenden Kulturpolitik, die Frauen strukturell benachteiligt und diskriminiert. Ausgangspunkt der solidarischen Interessensvertretung war eine Ausstellung die 1975 – im Jahr der Frau – erstmals Gegenwartskunst österreichischer Künstlerinnen zeigen sollte, jedoch ausschließlich von Männern kuratiert wurde. Der Widerspruch der Künstlerinnen gegen dieses wurde ignoriert, 46 Kunstschaffende sagten daraufhin ihre Teilnahme an der Ausstellung ab. Selbstermächtigend eröffnete INTAKT im Gegenzug eine eigene Galerie, um die Arbeit von Künstlerinnen zu zeigen und zu positionieren. Sichtbarkeit und Öffentlichkeit, für die Kunstproduktion von Künstlerinnen und feministische Themen, zu schaffen war und ist bis heute eine wichtige Agenda. 2019 vertritt mit Renate Bertlmann ein Mitglied von INTAKT Österreich bei der 57. Biennale in Venedig. 1978 veröffentlichte INTAKT ein Femifest. Als feministische Interpretation eines Manifestes, postulieren sie u.a.: „In der Kunst schlägt sich nieder, was in der Realität erlebt wird.“
Die Realität in Margot Pilz’ Werken ist eindringlich, sie ist mutig, sie ist fesselnd, sie ist beklemmend und sie ist vielschichtig. Die Projektionsfläche dieser Auseinandersetzung mit Spannung, Sichtbarkeit, Dominanz ist häufig der Körper der Künstlerin selbst. Dies gilt für frühe und aktuelle Werke. Die Arbeit Überwachung (1984) aus der Werkserie Die Weisse Zelle (1983-1985) zeigt die Künstlerin sogar mehrfach: In Schwarz-Weiß beobachtet sie sich selbst aus zwei Monitoren in der Mitte des Bildes. Im blauen Overall positioniert sie sich in Farbe zu diesem (sich selbst) kontrollierenden Blick. Dabei bleibt die Person im Vordergrund oft unscharf. Bestimmt hält sie ihren Blick hingegen in My wild life (2018) auf die Betrachterin oder den Betrachter gerichtet. Das Gesicht weiß bemalt, die Augen schwarz betont.
Die hier gezeigte Ausstellung Spirits of Contradiction legt den Schwerpunkt auf das fotografische Schaffen der Künstlerin. 1976 legt sie an der Höheren Grafischen Lehr- und Versuchsanstalt in Wien ihre Meisterprüfung in Fotografie ab. Die technischen Möglichkeiten des Mediums reizt Margot Pilz in ihrem künstlerischen Schaffen aus, so schreibt Kristian Sotriffer 1985 über sie:
„Unter den sich mit Photographie als künstlerischem Ausdrucksmittel beschäftigenden Persönlichkeiten zählt Margot Pilz zu den vielseitigsten und konsequentesten. Ihr Stil unterscheidet sie erkennbar von dem ihrer Kollegen durch seine Strenge, ja Konstruktivität, in die sich Poesie und ein Hang zu symbolträchtigen Metamorphosen einmischt. Gleichzeitig erscheint er von technischer Brillanz und Experimentierfreude geprägt.“ (Kristian Sotriffer, 1985)
Unschärfen, Belichtungsexperimente und klare Bildkompositionen verwendet Pilz um emotionale und gesellschaftliche Verhältnisse ins Bild zu setzen. Viele ihrer Arbeiten entstehen in Serien und enthalten so ein performatives Element, welches die Künstlerin in ihren Videoarbeiten, Medieninstallationen und Performances ausbaut. Für die Festwochen 1982 erschafft Margot Pilz einen Strand mitten in Wien. Mehrere Lastwägen Sand, eine Palme, eine Hochzeit, ein großer Wal und sein Gesang setzen eine Utopie in die Innenstadt. Kaorle am Karlsplatz (1982) setzt lustvoll Verhaltensregeln außer Kraft. Es sind gesellschaftskritische und ökologische Themen die Künstlerin antreiben. Jan Tabor erinnert sich Jahrzehnte später Jahrzehnte in denen Margot Pilz’ Konzept vielfach aufgegriffen und kommerzialisiert wurde, zuletzt wurde sogar der Litauische Beitrag auf der 58. Kunstbiennale in Venedig für die Umnutzung eines Raumes als Strand mit dem goldenen Löwen ausgezeichnet:
„ich war zwanzig Jahre lang kunstkritiker, hatte unmengen von kunstwerken gesehen und über hunderte geschrieben ich kann mich an viele kunstwerke erinnern, an viele – wohl die meisten – nicht mehr. An kaorle am karlsplatz erinnere ich mich besonders gut… es war ein ausnahmsweises kunststück, voll humor, voll poesie, doppeldeutig (mindestens), mit gesellschaftskritischen anspielungen, verspielt, surreal, subversiv, einladend, zugänglich im wahrsten sinne des wortes.“ (Jan Tabor)
1981 fotografiert Margot Pilz in der Eduscho Fabrik. – Dies inspiriert sie zur Installation Arbeiterinnenaltar (1981). Sie beobachtet, fotografiert und stellt Fragen. Denn ihr fällt auf: der soziale Alltag, das Selbstverständnis und die Bezahlung der Arbeiterinnen und der Arbeiter unterscheiden sich deutlich. Margot Pilz eckt an, ihre Fragen verunsichern die Belegschaft, ihre Arbeit ist solidarisch mit den ausgeblendeten Lebensrealitäten. Das gilt auch für ihr bestechend konsequentes und bestärkend radikales Werk.
Weblink: www.margotpilz.at
Dauer der Ausstellung: 5. Juli bis 24. August
Begleitveranstaltungen:
Donnerstag, 4. Juli, 19:30 Uhr
Eröffnung der Ausstellung durch Eva Veichtlbauer, Leiterin der Abt. für Kultur, Bildung und Gesellschaft/Land Salzburg.
Zur Ausstellung spricht Korinna Lindinger, Künstlerin und Soziologin
Sa, 17. August 2019, 11 Uhr
Künstlerinnengespräch mit Margot Pilz
Das Gespräch mit Künstlerin Margot Pilz und Kuratorin Korinna Lindinger führt Laila Huber, Leiterin des kunstraum pro arte. Bei Croissants & Kaffee haben die Besucher*innen die Möglichkeit, Näheres über die Zugänge und das Schaffen der Künstlerin zu erfahren.
Freitag, 23. August 2019 19:00 Uhr, Stadtbücherei Hallein
Filmscreening „Sie ist der andere Blick“, A 2018, 88min. – Ein Film von Christiana Perschon.
Bildnachweis des Beitragsbilds (r.):Margot Pilz, Die Weisse Zelle − Überwachung #11, 1984
Fotos: Sven Buchholzer